Mittwoch, 15. September 2021

Aus der Datenschutz-Praxis: Diese Arbeitgeber dürfen den Corona-Impfstatus abfragen - alle anderen nicht

Mittlerweile sind 62% der Gesamtbevölkerung in Deutschland vollständig gegen COVID-19 geimpft. Trotzdem oder vielleicht gerade deshalb häufen sich bei unserem Datenschutz-Team die Anfragen von Unternehmen, ob sie den Impfstatus ihrer Mitarbeitenden abfragen dürften. Bisher lautete unsere Antwort eindeutig: "NEIN". Das ändert sich ab heute, 15.09.2021, denn durch die am 07.09.2021 durch den Deutschen Bundestag beschlossenen Änderungen am Infektionsschutzgesetz (IfSG) dürfen bestimmte Arbeitgeber ab sofort den Impfstatus erheben. 

Impfstatus-Fragebogen für Beschäftigte? So nicht!
Impfstatus-Fragebogen für Beschäftigte? So nicht!

Für welche Unternehmen die Änderung gilt und was bei der Abfrage des Impfstatus zu beachten ist, lesen Sie hier.

Was hat das eigentlich mit Datenschutz zu tun?

Datenschutz soll personenbezogene Daten vor Missbrauch schützen. Dazu verlangt die Europäische Datenschutzgrundverordnung (EU-DSGVO) für jede Verarbeitung von personenbezogenen Daten verpflichtend die Nennung einer passenden Rechtsgrundlage.

Der Impfstatus eines Arbeitnehmers gehört zu dessen besonders sensiblen Gesundheitsdaten. Arbeitgeber sollen darauf eigentlich grundsätzlich keinen Zugriff haben.

Eine Abfrage des Impfstatus eines Beschäftigten durch den Arbeitgeber und die sich daraus möglicherweise ergebenden Konsequenzen könnten zu einer Benachteiligung einzelner Personen beziehungsweise Personengruppen führen.

Arbeitgeber führen dagegen ihr berechtigtes Interesse an, dass sie durch die Abfrage des Impfstatus sich selbst, ihre Beschäftigten sowie Kunden und Lieferanten vor potentiellen Ansteckungsrisiken besser schützen können.

Da eine Rechtsgrundlage hierzu bisher fehlte, durften bis auf sehr wenige Ausnahmen Arbeitgeber den Impfstatus ihrer Arbeitnehmer nicht erheben. Mit der aktuellen Änderung des IfSG dürfen bestimmte Arbeitgeber ihre Beschäftigten nun nach deren Impfstatus fragen (sogenanntes Fragerecht) und deren Impfbescheinigungen mit zur Personalakte nehmen.

Für die Erhebung des Impfstatus durch einen Arbeitgeber, der nicht unter die besondere Spezialnorm fällt, besteht weiterhin keine Rechtsgrundlage.

Liste der frageberechtigten Arbeitgeber

Insbesondere Arbeitgeber in folgenden Einrichtungen und Unternehmen dürfen ab dem 15.09.2021 Impfstatus und Serostatus (Immunisierung als Folge einer überstandenen Erkrankung) in Bezug auf COVID-19 verarbeiten (Fragerecht):

  • Einrichtungen und Unternehmen, bei denen die Möglichkeit besteht, dass durch Tätigkeiten am Menschen durch Blut Krankheitserreger übertragen werden, sowie Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nummer 2 können durch das Gesundheitsamt infektionshygienisch überwacht werden, z.B.
    • Krankenhäuser
    • Rettungsdienste
    • Arztpraxen, Zahnarztpraxen
    • Einrichtungen für ambulantes Operieren
    • Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen
    • Dialyseeinrichtungen
    • Tageskliniken
    • Entbindungseinrichtungen
  • Kindertageseinrichtungen und Kinderhorte
  • Schulen und sonstige Ausbildungseinrichtungen
  • Behandlungs- oder Versorgungseinrichtungen, die mit einer der in den § 36 (1) Nummern 1 bis 6 InfSG genannten Einrichtungen vergleichbar sind
  • ambulante Pflegedienste, die ambulante Intensivpflege in Einrichtungen, Wohngruppen oder sonstigen gemeinschaftlichen Wohnformen erbringen
  • voll- oder teilstationäre Einrichtungen zur Betreuung und Unterbringung älterer, behinderter oder pflegebedürftiger Menschen (z.B. Pflegeheime) oder vergleichbare Einrichtungen sowie ambulante Pflegedienste und Unternehmen, die den Einrichtungen nach Nummer 2 vergleichbare Dienstleistungen anbieten; (Angebote zur Unterstützung im Alltag im Sinne von § 45a Absatz 1 Satz 2 des Elften Buches Sozialgesetzbuch zählen nicht zu den Dienstleistungen, die mit Angeboten in Einrichtungen nach Nummer 2 vergleichbar sind);
  • Obdachlosenunterkünfte,
  • Justizvollzugsanstalten
  • Einrichtungen zur gemeinschaftlichen Unterbringung von Asylbewerbern, vollziehbar Ausreisepflichtigen, Flüchtlingen und Spätaussiedlern
  • sonstige Massenunterkünfte

Das Fragerecht besteht aber auch hier nicht pauschal gegenüber allen Beschäftigten, sondern nur dann, wenn die Information im Hinblick auf § 23 Abs. 3 IfSG erforderlich ist. Heißt übersetzt: das Fragerecht besteht nur, wenn der jeweilige Mitarbeiter so eng mit verletzlichen Personen (z.B. Patienten, Kindern und den anderen in den oben genannten Einrichtungen befindlichen Personen) arbeitet, dass ein Risiko für diese Personen besteht (siehe Begründung des Bundestagsausschusses für Gesundheit: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/IfSG/Gesetze/Aenderungen_des_IfSG_durch_das_PraevG.pdf?__blob=publicationFile). Gegenüber allen anderen Mitarbeitern (z.B. aus der Verwaltung) besteht weiterhin kein Fragerecht.  

Grundsätzlich frageberechtigte Arbeitgeber müssen daher trotzdem sorgfältig prüfen, bei welchen Mitarbeitergruppen ein Fragerecht besteht. Wir empfehlen, das Ergebnis dieser Prüfung nebst Begründung sollte in der Dokumentation der Verarbeitungstätigkeit im Verzeichnis von Verarbeitungstätigkeiten (VvV) abzulegen.   

Für alle anderen Einrichtungen und Unternehmen besteht auch weiterhin kein Fragerecht nach dem Impfstatus in Bezug auf COVID-19 mangels fehlender Rechtsgrundlage.

Wozu und wann gilt das geänderte Fragerecht

Der Impfstatus darf von diesen Arbeitgebern aber ausschließlich für folgende Zwecke verwendet werden: Für die Regelung der Art und Weise einer Beschäftigung (z.B. Personaleinsatzplanung) und für Entscheidungen bei Neueinstellungen.

Auch zeitlich ist die Änderung des Fragerechts begrenzt: Sie gilt nur solange der Deutsche Bundestag eine epidemische Lage von nationaler Tragweite festgestellt hat und dies zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) erforderlich ist.

Bewertung der Änderung des Fragerechts aus Sicht des Datenschutzes

Die Abfrage des Impfstatus eines Beschäftigten durch den Arbeitgeber und die sich daraus möglicherweise ergebenden Konsequenzen können auch nach der Änderung des Fragerechts zu einer Benachteiligung einzelner Personen beziehungsweise Personengruppen führen. Es wird sozialer Druck aufgebaut.

Auch der Landesdatenschutzbeauftragte von Baden-Württembergs Stefan Brink spricht sich gegen ein Fragerecht für Arbeitgeber in Sachen Impfstatus der Mitarbeiter aus. "Ich halte davon wenig, wenn es pauschal gemacht wird", sagte Brink der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Die Abfrage wäre "ein massiver Eingriff in die Privatsphäre".

Wenn Ihre Einrichtung bzw. Ihr Unternehmen zu den oben genannten zählt, sollten Sie sich folgende Fragen in Bezug auf den Datenschutz stellen:

  • Welche Stellen erfassen die Daten? Kann eine zentrale Stelle eingerichtet werden?
  • Müssen Vorgesetzte den Impfstatus eines Mitarbeiters überhaupt erfahren? Oder reicht diesen die Informationen, dass bestimmte Personen nicht für bestimmte Tätigkeiten eingesetzt werden sollten?
  • Ist die Verarbeitung des Impfstatus im Verzeichnis von Verarbeitungstätigkeiten hinreichend dokumentiert? Ist der praktische Geschäftsprozess datenschutzrechtlich geprüft und freigegeben?

Welche Konsequenzen kann eine Auskunftsverweigerung haben?

Ein entscheidender Punkt dabei ist die . Wenn ein Arbeitgeber berechtigterweise fragt, besteht eine Auskunftspflicht der Angestellten. Diese müssen dann wahrheitsgemäß antworten. Ein Verstoß nach einer arbeitgeberseitigen Aufforderung ist eine Pflichtverletzung. Diese kann mit Abmahnung bis hin zur Kündigung sanktioniert werden.

Was ist mit den AHA + A + L-Regeln?

Es gibt weiterhin keine gesicherten Erkenntnisse darüber, über welchen Zeitraum und gegen welche Virus-Varianten eine geimpfte Person vor einer COVID-19 - Erkrankung geschützt ist. Zudem ist auch noch nicht geklärt, in welchem Maße die Erregerübertragung (Transmission) durch geimpfte Personen verringert oder verhindert wird. Zudem ist noch nicht bekannt, ob die Impfung auch vor einer Besiedlung mit dem Erreger, die ohne Krankheitszeichen erfolgt, bzw. vor einer Übertragung des Erregers auf andere Personen schützt. Hier sind die weiteren klinischen Studien zu den unterschiedlichen Impfstoffen und Virusvarianten abzuwarten. Daher ist es trotz Impfung notwendig, sich und seine Umgebung zu schützen, indem nicht nur in den oben genannten Einrichtungen und Unternehmen die AHA + L + A-Regeln auch weiterhin beachtet werden:

  • A (Abstand halten)
  • H (Hygiene beachten)
  • A (Alltag mit Maske (medizinischer Mund-Nasen-Bedeckung))
  • + L (Lüften)
  • + A (App nutzen)

Diese Regeln und weitere organisatorische Maßnahmen im Betrieb, wie z. B. vermehrtes HomeOffice, Plexiglasschreiben zur Trennung von Arbeitsplätzen etc. stellen gemäß Empfehlung des LfDI Baden-Württemberg datenschutzrechtlich das mildere Mittel zur Bekämpfung der Infektionsgefahr gegenüber einer Verarbeitung des Impfstatus dar. Und im Datenschutzrecht gilt: kann das Ziel durch mehrere Mittel erreicht werden, muss das mildeste davon gewählt werden. Der Impfstatus darf somit nur bei solchen Mitarbeitern erhoben werden, bei denen die Schutzziele nicht mit anderen mitteln erreicht werden können.

Quellenangaben: