Facebook ist nur ein Beispiel – die Frage an sich kann sich bei allen sozialen Netzwerken stellen: Was ist, wenn der Inhaber eines Accounts stirbt? Haben seine Erben dann einen Anspruch auf die Daten im Account? Der BGH hat dies in einem Grundsatzurteil bejaht. Er sieht darin keine Verletzung des Datenschutzes.
Der Fall bewegte die Öffentlichkeit sehr, schließlich ging es um ein erst 14-jähriges Mädchen. Sie war unter eine U-Bahn geraten, mit tödlichen Folgen. Die Eltern waren die Erben des Kindes. Außer dem Facebook-Account gab es zwar kaum etwas zu erben. Aber auf den Inhalt des Accounts wollten sie unbedingt zugreifen. Denn sie hofften auf Hinweise, ob der Tod ihrer Tochter ein Selbstmord war.
Zugriff auf den Facebook-Account eines Verstorbenen |
Sture Haltung von Facebook
Facebook stellte sich freilich quer. Das Unternehmen berief sich auf seine selbst gemachten Regeln...
Da irgendwer Facebook den Tod des Mädchens mitgeteilt hatte, wurde der Account in einen „Gedenkzustand“ versetzt. Nur die beim Tod schon vorhandenen „Freunde“ konnten die Einträge sehen und Erinnerungen hinterlassen. Von einem Zugriff durch Erben wollte Facebook nichts wissen.
Der BGH gewährt den Zugriff
Um ihr Ziel zu erreichen, mussten die Eltern durch drei Instanzen klagen. Beim Bundesgerichtshof (BGH) bekamen sie schließlich auf der ganzen Linie Recht. Er verurteilte Facebook dazu, den Eltern als Erben Zugriff auf die Daten im Account zu geben. Mit dem Aktenzeichen III ZR 183/17 ist das Urteil im Internet leicht zu finden.
Erbrecht als Ausgangspunkt
Die Hauptargumente des BGH zum Erbrecht lauten so:
- Bei einem Erbfall geht das gesamte Vermögen des Verstorbenen auf die Erben über. Zum Vermögen in diesem Sinn gehören auch Vertragsbeziehungen. Die Eltern haben also gewissermaßen den Vertrag ihrer Tochter mit Facebook geerbt. Damit haben sie das Recht, auf den Inhalt des Accounts zuzugreifen. Im Ergebnis ist das nichts anderes, als wenn sie ein Tagebuch oder Briefe geerbt hätten, die ihrer Tochter gehörten.
- Facebook darf diese Rechtslage nicht dadurch unterlaufen, dass es einen „Gedenkzustand“ erfindet und den Zugriff blockiert. Denn im Vertrag zur Nutzung von Facebook steht davon nichts.
Datenschutz kein Hindernis
Kein Problem sieht der BGH im Datenschutz. Dabei unterscheidet er so:
- Für das verstorbene Mädchen gelten die Datenschutz-Regelungen nicht mehr. Die EU-Datenschutzgrundverordnung (EU-DSGVO) bezieht sich ausdrücklich nur auf lebende Personen. Auf Daten Verstorbener ist sie nicht anzuwenden.
- Die Kommunikationspartner des Mädchens, die Einträge auf Facebook hinter-lassen haben, können sich zwar prinzipiell auf die EU-DSGVO berufen. Zu Lebzeiten des Mädchens war die Verarbeitung dieser Daten jedoch erforderlich, weil die Kommunikation über den Account sonst nicht funktioniert hätte. Damit war die Verarbeitung berechtigt. Der Tod des Mädchens ändert daran nichts. Die Verarbeitung der Daten durch Facebook bleibt weiterhin rechtmäßig. Die Erben des Mädchens nehmen nur die Möglichkeit zum Datenabruf wahr, die das Mädchen zu Lebzeiten selbst hatte.
Noch ein kurzer Hinweise
Wichtig ist bei diesen Überlegungen, dass sie generell für alle Erben gelten. Keine Rolle spielt, dass die Erben des Mädchens zugleich ihre Eltern waren und das Sorgerecht besaßen.