Donnerstag, 23. Mai 2024

Wann brauche ich einen Auftragsverarbeitungsvertrag?

Wann brauche ich einen Auftragsverarbeitungsvertrag? 

Überall dort, wo personenbezogene Daten im Auftrag eines Verantwortlichen verarbeitet werden, muss ein Auftragsverarbeitungsvertag (AVV) geschlossen werden. Doch was bedeutet das in der Praxis? 

Wann genau ein Auftragsverarbeitungsvertrag?


Weil viele Unternehmen hier vor Problemen stehen, möchten wir in diesem Beitrag etwas Licht ins Dunkel bringen.

 

Was genau ist Auftragsverarbeitung?

Die Rechtsfigur der Auftragsverarbeitung knüpft an die Arbeitsteilung an. In der heutigen Welt erledigt kaum ein Unternehmen alles selbst. Vielmehr werden Dritte mit bestimmten Aufgaben beauftragt, die über mehr Know How oder Ressourcen verfügen. So kann sich jeder darauf spezialisieren, was er am besten kann.

Diese gesellschaftliche Realität gilt selbstverständlich auch (vielleicht könnte man sogar sagen: ganz besonders) im Zusammenhang mit der Verarbeitung personenbezogener Daten. Hier verarbeitet der sog. Auftragsverarbeiter personenbezogene Daten, der auch der Verantwortliche selbst verarbeiten könnte. Der Verantwortliche macht es nur eben oft aus Effizienzgründen nicht selbst.

Die EU-DSGVO möchte sich dieser Realität nicht verschließen. Vielmehr versucht sie, den Unternehmen, die Daten verarbeiten möchten und einen anderen damit beauftragen, diese Effizienzvorteile zu sichern. Damit wir die Auftragsverarbeitung besser verstehen können, lohnt es sich, hier etwas weiter auszuholen.

Ein wichtiger Grundsatz der EU-DSGVO ist nämlich, dass jede Verarbeitung personenbezogener Daten eine Rechtsgrundlage erfordert - auch die Datenverarbeitung durch den Auftragsverarbeiter. Eigentlich wäre demnach die Auftragsverarbeitung selbst auf eine Rechtsgrundlage nach Art. 6 EU-DSGVO zu stützen. Auf eine solche Rechtsgrundlage kann der Auftragsverarbeiter sich aber nicht immer berufen. Zum Beispiel kann es vorkommen, dass ein berechtigtes Interesse nach Art. 6 Abs. 1 lit. f EU-DSGVO, das beim Verantwortlichen vorliegt, in der Person des Auftragsverarbeiters nicht gegeben ist.

Genau für solche Situationen macht die EU-DSGVO eine Ausnahme. Der Auftragsverarbeiter kann die Datenverarbeitung auf die Rechtsgrundlage des Verantwortlichen stützen. Dieser Grundsatz, der so explizit zugegebenermaßen gar nicht in der EU-DSGVO steht, sondern in ihre Wertungen hineingelesen wird, heißt Privilegierung der Auftragsverarbeitung. Die Privilegierung passt auch gut zur Beobachtung, dass hinsichtlich der Datenverarbeitung der Auftragsverarbeiter so etwas wie der "verlängerte Arm" des Verantwortlichen ist.

Zur Begründung lässt sich anführen, dass die EU-DSGVO über Art. 28 Einfluss auf das Verhältnis zwischen Verantwortlichem und Auftragsverarbeiter nimmt. Sie macht detaillierte Vorgaben und sagt sinngemäß, dass in der gesamten Verarbeitungskette der Datenschutz gesichert sein muss (dazu später mehr). 

Was sind Beispiele für Situationen, in denen ein AVV erforderlich ist?

Damit brauchen Sie zum Beispiel in folgenden Fällen beispielsweise einen AVV (s. dazu und auch allgemein zur Auftragsverarbeitung das lesenswerte DSK - Kurzpapier 13):

-        Datenverarbeitung für die Lohn- und Gehaltsabrechnung durch externe Rechenzentren,

-        Outsourcing personenbezogener Datenverarbeitung im Rahmen von Cloud-Computing, ohne dass ein inhaltlicher Datenzugriff des CloudBetreibers erforderlich ist,

-        Werbeadressenverarbeitung in einem Lettershop.

     Wann liegt keine Auftragsverarbeitung vor, sondern eine gemeinsame Verantwortlichkeit?

Wenn "zwei oder mehr Verantwortliche gemeinsam die Zwecke der und die Mittel zur Verarbeitung" festlegen, sind sie nach Art. 26 Abs. 1 EU-DSGVO gemeinsam Verantwortliche. Das bedeutet, dass - im Unterschied zur Auftragsverarbeitung - beide an der Datenverarbeitung Beteiligten die Daten für eigene Geschäftszwecke nutzen.

Wo sie die Daten für ihre eigenen Zwecke nutzen, sind die (gemeinsam) Verantwortlichen nicht weisungsgebunden und sie wurden auch nicht von jemandem beauftragt. Weil das Verhältnis zwischen den gemeinsam Verantwortlichen nicht so reguliert ist, wie das Verhältnis zwischen Verantwortlichem und Auftragsverarbeiter, wird hier auch keine Privilegierung vorgenommen.

Wichtig für die Praxis: Es ist allerdings ein Vertrag über die gemeinsame Verantwortlichkeit zu schließen, in dem festgelegt wird, welcher gemeinsam Verantwortliche welche Verpflichtung aus der EU-DSGVO erfüllt (Art. 26 EU-DSGVO).

Der EuGH legt die gemeinsame Verantwortlichkeit weit aus. Im Urteil zu Facebook-Fanpages führte er aus, es müsse nicht zwangsläufig eine gleichwertige Verantwortlichkeit vorliegen. Diese Linie baute er weiter aus, indem er im sog. Fashion ID - Urteil auch Webseitenbetreiber für gemeinsam verantwortlich erklärte, die einen Gefällt mir - Button auf ihrer Webseite integriert haben. Entscheidend sei lediglich, dass der Webseitenbetreiber die Möglichkeit eröffnet, dass überhaupt eine Datenübertragung stattfindet.

Die DSK (Deutsche Datenschutzkonferenz) vertritt in Kurzpapier 16 aber die Auffassung, dass jedenfalls ein gewisser tatsächlicher Einfluss vorhanden ist.

Was muss im Auftragsverarbeitungsvertrag geregelt sein?

Doch nun zurück zum Auftragsverarbeitungsvertrag. Wir können hier nur eine Übersicht darüber geben, was zu regeln ist, ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Wir helfen gerne im Einzelfall bei der Prüfung eines AVV; kontaktieren Sie uns einfach.

Nach Art. 28 EU-DSGVO ist folgendes zu regeln:

  • Vertragsgegenstand
    Gegenstand, Umfang und Dauer der Datenverarbeitung sind zu bestimmen

  • Art und Zweck der Verarbeitung
    Definiert, wie (Art) und warum (Zweck) personenbezogene Daten verarbeitet werden sollen.

  • Kategorien personenbezogener Daten
    Listet die Kategorien personenbezogener Daten und Gruppen betroffener Personen auf.

  • Weisungsbefugnis
    Die Datenverarbeitung hat auf dokumentierte Weisung des Verantwortlichen zu erfolgen.

  • Verpflichtungen auf die Vertraulichkeit
    Mitarbeiter des Verarbeiters müssen Vertraulichkeitsvereinbarungen unterzeichnen.

  • Sicherheitsmaßnahmen
    Der Verarbeiter muss nach Artikel 32 DSGVO notwendige technische/organisatorische Maßnahmen ergreifen.

  • Unterauftragsverhältnisse
    Für das Einbinden von Unter-Auftragsverarbeitern sollen strenge Anforderungen gelten.

  • Betroffenenrechte
    Unterstützt den Verantwortlichen bei der Erfüllung von Anfragen zu Betroffenenrechten.

  • Compliance-Hilfe
    Hilft dem Verantwortlichen bei der Einhaltung der Sicherheits- und Datenschutzpflichten.

  • Datenlöschung/-rückgabe
    Regelt die Datenlöschung oder -rückgabe nach Beendigung der Verarbeitungstätigkeiten.

  • Nachweispflichten
    Der Verarbeiter stellt Informationen für Compliance-Nachweise bereit und ermöglicht Audits.

Was passiert, wenn ich keinen Auftragsverarbeitungsvertrag abschließe?

Dann können die Aufsichtsbehörden, wenn Sie eigentlich einen AVV hätten schließen müssen, ein Bußgeld gegen Sie verhängen. Die maximale Höhe dieses Bußgelds beträgt bei einem Verstoß gegen Art. 28 EU-DSGVO gem. Art. 83 Abs. 4 lit. a EU-DSGVO bis zu 10 Mio. Euro, oder 2 % des Jahresumsatzes Ihres Unternehmens - je nach dem, was davon höher ist. Natürlich wird das maximale Bußgeld gemäß den EDSA - Guidelines ggf. auf ein für Sie bezahlbares Maß herabgesetzt. Dennoch bleibt es dabei, dass die Bußgelder empfindlich sein können.

Neben Bußgeldern trägt das Unternehmen ohne einen AV-Vertrag ein erhöhtes Haftungsrisiko. Bei Datenschutzvorfällen ("Datenpannen") oder Verletzungen der EU-DSGVO können Betroffene unter gewissen Voraussetzungen Schadensersatzansprüche geltend machen. Diese Ansprüche können sich nicht nur gegen den Auftragsverarbeiter, sondern auch gegen den Verantwortlichen richten (Art. 82. Abs. 4 EU-DSGVO). Ist kein AV-Vertrag vorhanden, kann dies als Organisationsverschulden gewertet werden, was die Haftung des Verantwortlichen begründen kann. Weiterhin kann im Schadensfall sogar unter Umständen die Durchsetzung von Regressansprüchen gegen den Auftragsverarbeiter nach Art. 28 Abs. 4 S. 2 EU-DSGVO erschwert sein.


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