Deutschland steckt mitten in der Umsetzung der NIS-2-Richtlinie – und das bleibt nicht ohne Folgen für Unternehmen. Während sich große Organisationen aktiv auf die neuen Sicherheitsanforderungen vorbereiten, droht vielen kleinen und mittelständischen IT-Dienstleistern, Softwareentwicklern und Managed Service Providern (MSPs) ein unangenehmes Erwachen: Sie werden plötzlich von ihren Kunden mit neuen Sicherheitsanforderungen konfrontiert – auch wenn sie selbst gar nicht direkt von NIS2 betroffen sind.
Warum betrifft NIS2 plötzlich auch kleine IT-Dienstleister?
Die NIS2-Richtlinie verpflichtet Unternehmen aus kritischen Branchen wie Energie, Gesundheit, Transport oder Finanzwesen, ein Informationssicherheits-Managementsystem (ISMS) nach anerkannten Standards zu implementieren. In den meisten Fällen bedeutet das eine Zertifizierung nach ISO 27001. Doch hier liegt der Knackpunkt:
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NIS2 - Viele IT-Dienstleister, MSP und Software-Hersteller sind betroffen |
Viele große Unternehmen und Konzerne verlangen nun von ihren meist wesentlich kleineren IT-Dienstleistern und Softwareanbietern ebenfalls einen Nachweis über ein funktionierendes ISMS.
Das Problem:
- Die betroffenen IT-Dienstleister stehen nicht auf der NIS2-Liste und dachten bisher, sie seien überhaupt nicht betroffen.
- Ihre Kunden, die von der NIS2-Regelung betroffen sind, müssen aber nachweisen, dass auch ihre Lieferanten Informationssicherheitsstandards einhalten.
- Das bedeutet: Wer keine ausreichenden Sicherheitsnachweise liefern kann, riskiert, dass Kunden abspringen oder neue Verträge nicht mehr zustande kommen.
Plötzlich unter Druck: Warum viele IT-Dienstleister und MSPs unvorbereitet sind
Für IT-Dienstleister, Systemhäuser und Softwareentwickler hatte das Thema ISO 27001 bisher oft keine Priorität. Viele setzen auf Best Practices in der IT-Sicherheit, dokumentieren ihre Prozesse aber nicht ausreichend oder haben kein formal etabliertes ISMS.
Jetzt geraten diese Unternehmen unter Zugzwang:
- Kunden fragen nach einem ISO-27001-Zertifikat oder vergleichbaren Nachweisen.
- Viele Auftraggeber verlangen ISO 27001 als Ausschlusskriterium in Verträgen und Ausschreibungen.
- Die Zeit läuft: NIS2 muss voraussichtlich bis Oktober 2024 in deutsches Recht umgesetzt werden, wodurch Unternehmen ihre Sicherheitsanforderungen an Lieferanten anpassen.
Das Problem: Eine echte ISO-27001-Zertifizierung dauert Monate, häufig sogar über ein Jahr – und ist mit erheblichen Kosten verbunden. Für viele kleine IT-Dienstleister ist das finanziell und organisatorisch kaum machbar.
Gefahr durch Fake-Zertifikate: Wenn der schnelle Weg in die Sackgasse führt
Durch den steigenden Druck entstehen auch graue Märkte für Zertifizierungen. Es gibt zunehmend Anbieter, die ISO-27001-Zertifikate ohne akkreditierte Prüfung ausstellen – oft gegen geringe Kosten und mit minimalem Aufwand.
Das klingt verlockend, hat aber massive Risiken:
- Nicht akkreditierte Zertifikate werden von großen Unternehmen, Fördermittelgebern, etc. nicht akzeptiert.
- Rechtliche Risiken: Wer ein Fake-Zertifikat wissentlich nutzt, könnte wegen Täuschung haftbar gemacht werden.
- IT-Sicherheitsrisiko: Unternehmen, die nur auf das Papier, nicht aber auf echte Sicherheitsmaßnahmen setzen, laufen Gefahr, durch Cyberangriffe geschädigt zu werden.
Erst kürzlich sind Fälle bekannt geworden, in denen Unternehmen mit Fake-Zertifikaten geworben haben – und daraufhin ihre Glaubwürdigkeit verloren. In einer Welt, in der Vertrauen und Sicherheit zentrale Geschäftsfaktoren sind, kann so etwas schnell existenzbedrohend werden.
Wie sich IT-Dienstleister jetzt richtig vorbereiten können
Wer als IT-Systemhaus, MSP oder Softwareanbieter langfristig erfolgreich bleiben will, sollte jetzt handeln:
✅ Prüfen, ob Kunden bereits Anforderungen stellen:
Viele größere Unternehmen haben bereits begonnen, die Sicherheitsanforderungen an ihre Lieferanten zu verschärfen. Wer unsicher ist, sollte mit seinen Auftraggebern klären, welche Nachweise in Zukunft erforderlich sein werden.
✅ Interne Prozesse analysieren:
Bevor über eine Zertifizierung nachgedacht wird, sollten IT-Dienstleister prüfen, wo sie in Bezug auf IT-Sicherheit stehen. Oft sind viele Maßnahmen bereits vorhanden, aber nicht formal dokumentiert.
✅ Mit Experten sprechen:
Wer eine Zertifizierung nach ISO 27001 in Betracht zieht, sollte sich frühzeitig beraten lassen. Es gibt Förderprogramme, die einen Teil der Kosten übernehmen, und Möglichkeiten, durch pragmatische Lösungen die Einführung effizient zu gestalten.
✅ Keine Abkürzungen nehmen:
Zertifikate von nicht akkreditierten Anbietern sind keine echte Lösung und können im schlimmsten Fall mehr schaden als nutzen. Wer sich zertifizieren lassen möchte, sollte nur mit anerkannten und akkreditierten Zertifizierungsstellen zusammenarbeiten.
Fazit: IT-Sicherheit wird zum Geschäftsmodell
Die kommenden Monate werden für viele IT-Dienstleister eine Herausforderung. Wer bislang dachte, dass IT-Sicherheitszertifizierungen nur für große Konzerne relevant sind, wird durch die Umsetzung von NIS2 eines Besseren belehrt.
Doch mit der richtigen Vorbereitung kann die Anpassung an die neuen Anforderungen nicht nur zur Pflicht, sondern zur Chance werden: Ein nachweislich hohes IT-Sicherheitsniveau wird in Zukunft ein entscheidender Wettbewerbsvorteil sein. Wer jetzt handelt, sichert sich nicht nur Aufträge, sondern auch das Vertrauen seiner Kunden.
Jetzt ist die Zeit, in echte IT-Sicherheit zu investieren – nicht in leere Zertifikate.